Mal eben einen zweiten Plotter einbauen

Eine kurze Geschichte von unschlagbaren Angeboten, Lieferschwierigkeiten, Netzwerken und Software-Versionen

In unserem Lieblingssegelbedarf-Onlineshop gab es letztes Jahr unseren Raymarine eS75 als supertolles Sonderangebot mit Sonar-Modul (eS78) für nur 599,00 €. Na, das wäre doch was, dachten wir uns und haben im Herbst 2019 auf “Bestellen” gedrückt. So ein zweiter Plotter am Kartentisch ist bestimmt eine feine Sache und sicherlich schnell eingebaut…


… wie sehr man sich täuschen kann!

Angebot und Nachfrage

Das Angebot war vom Oktober 2019 und vermutlich so unschlagbar, dass die vorhandenen Plotter in Nullzeit ausverkauft waren. Also Lieferzeit zwei Wochen. Okay, kann mal passieren.

Nach zwei Wochen stand die Lieferzeit plötzlich auf “Ende November”. Erste Nachfrage beim Händler ergab: “Raymarine habe Schwierigkeiten mit der Beschaffung eines notwendigen Bauteils. Lieferung vermutlich Dezember 2019”. Na ja, wir sind ja eh im Winterlager und können mit dem Einbau sicher noch einige Wochen warten.

Aber auch Ende Dezember, Ende Januar und Ende Februar erfolgte immer noch keine Lieferung. Schlussendlich hat uns unser Händler ein Angebot gemacht, man könne statt des eS78 mit Sonar-Modul auch das Nachfolgemodell, einen Axiom 7 ohne Fishfinder bekommen. Der wäre sicher schneller lieferbar.

Wir wollten ja nicht Angeln gehen, sondern Segeln. Also haben wir uns auf den Deal eingelassen.

Kommunikationsschwierigkeiten

Mitte März 2020 war es dann endlich soweit und der Axiom wurde geliefert. Schnell war er provisorisch angeschlossen und siehe da, er bootete!

Frei nach Linus Torvalds: “Wenn’s kompiliert ist gut, wenn’s startet ist perfekt!” dachte ich. Was kann schon noch schief gehen. Eben den Anschluss für SeaTalk an den nächsten freien Stecker und dann sollte alles funktionieren.

Nur leider war nirgends ein Radar zu sehen. Auch die Karten aus dem Plotter am Steuerstand waren nicht zu finden. Die WLAN-Verbindung zum Quantum-Radar ging auch nicht. Was’n nu los?

Auf der Homepage von Raymarine kann man Unheimliches lesen; von NMEA-2000, SeaTalk, SeaTalk ng, SeaTalk hs und RayNet. Alles unterschiedliche Protokolle und NICHT miteinander ohne weiteres zu verbinden. Fareham scheint in der Nähe von Babylon zu liegen.

Damit datenintensive Geräte wie Radar oder Kartenserver miteinander kommunizieren können, ist zwingend eine High-Speed-Verbindung notwendig. Und weil wir ja nicht schon ausreichend Protokolle haben, hat sich Raymarine natürlich ein eigenes ausgedacht. “SeaTalk hs!” war es mal; jetzt heißt es RayNet. Da unser Radar aber schon über Kabel mit dem Plotter am Steuerstand verbunden ist, kann man kein weiteres Gerät in dieses Peer-To-Peer-Netzwerk einbauen.

Wer billigt kauft…

…kauft nicht bei Raymarine.

Weil mit dem zweiten Plotter ein drittes Gerät im RayNet-Verbund eingefügt werden musste, musste also ein Switch besorgt werden. Und natürlich auch gleich ein entsprechende Kabel, da es nicht im Lieferumfang des HS5 SeaTalk enthalten war.

Der RayMarine HS5 kam mit 400,00 € daher und die Kabel (2 m und 10 m) mit sage und schreibe noch einmal 200,00 €!

Zusammen war es noch einmal der gleiche Betrag, den der Axiom gekostet hatte. Naja… wat mutt, dat mutt. Dafür sind die Kabel bestimmt ganz toll und halten ewig und drei Tage und gehen nie und nimmer nicht kaputt…

Klar haben wir Standards – Tausende!

Nachdem der HS5 eingebaut und verkabelt war, wurde es Zeit für einen dritten Test…

PIEP PIEP PIEP

“Mehrere Datenmaster! Bitte definieren sie einen Datenmaster.”

Ach so! Das Netz ist nicht selbst organisierend. Okay, dann nehme ich den eS75 einmal als Datenmaster. Der hat ja auch die Karten. Und siehe da, ich sehe ein RADAR-Bild!

… und gleich der nächste Fehler:

“Datenmaster nicht gefunden”.

„Och nö!“ Vielleicht den Axiom als Datenmaster einrichten? NOPE! Dann meldete der eS75, dass er den Datenmaster nicht finden kann. Das gibt’s doch nicht.

Wieder auf der Homepage von Raymarine nachgeschaut. So direkt konnte man das Problem nicht finden. Eher in einem Nebensatz, zwischen den Zeilen:

“Wenn alle Plotter auf der aktuellen Version sind, können sie sorgenfrei Netzwerken”.

Heißt im Umkehrschluss: Sind nicht alle Plotter auf derselben Version, ist halt nix mit sorgenfreien Netzwerken.

Also liebe Raymarines: Standards sind vor allem eins: STABIL! Deshalb sind es ja Standards. Die ändert man nicht mal so eben und schon gar nicht zwischen zwei Major-Versionen von LightHouse.

Leider ist ein Online-Update eines eS75 auf LightHouse-3 nicht durchführbar. Das Update muss über SD-Karte erfolgen.

Also die Installations-Dateien von LightHouse3 für den eS75 heruntergeladen und auf eine mSD-Karte kopiert. Damit sollte die Installation von LightHouse-3 auf den eS75 klappen.

Was lange währt…

Als Erstes die mSD-Karte in den Plotter gelegt, dann über Aktualisierung die neue Version aufgespielt und gewartet. Nach einiger Zeit meldete sich der eS75 mit der neuen LightHouse-3 Software und…

Er startete!

Kurz danach piepte es am Axiom.

„Mehrere Datenmaster gefunden.“

OK, das war ja zu erwarten. Nun wurde es spannend. Am Axiom den selbigen zum Datenmaster gemacht und… Ruhe! Niemand piepte.

Dann zum eS75 geklettert und geguckt, ob dort Karten und Radar zu sehen waren. Radar ging, aber wo war die Karte? Es schlich sich wieder eine schlechte Ahnung ein.

Doch diesmal saß das Problem vor dem Axiom.

Nachdem die mSD-Karte fest und korrekt eingesteckt war, wurde auch die Seekarte auf dem eS75 dargestellt.

Ein Probelauf über mehrere Stunden ergab keine Schwierigkeiten. Lediglich einige Alarme wegen gefährlicher AIS-Ziele im Hafen und Wassertiefen mussten abgestellt werden. Dann war Ruhe.

Ein letzter Test zeigte eine Start-up-Zeit von 40 Sekunden für das System. Das ist akzeptabel, auch wenn einem die 40 Sekunden ohne Plotter und GPS im engen Fahrwasser im Wattenmeer wie eine Ewigkeit vorkommen werden. Der Radar braucht etwas länger bis er wieder ansprechbar ist, meldet sich dann aber auch wieder brav beim Plotter.

So ist jetzt doch alles gut.
Ein Zweitplotter am Kartentisch und alles kann miteinander sprechen.

Die ganze Aktion hat aber doch mehrere Wochen gedauert, weil man immer wieder nachbestellen oder wichtige Dinge (mSD-Adapter) doch zu Hause gelassen hat.

Bootsprojekte eben!

7 Kommentare zu „Mal eben einen zweiten Plotter einbauen“

  1. Moin,
    uns hätte ein Blitz in Panama alles ausgeschaltet. Beim Wiederaufbau sind wir komplett auf Raymarine gegangen. Axim Pro und Axiom als Tochter, Evolution, Radar und den ganzen Tüddelkram. 3 Jahre ist das her und es läuft ganz gut. Zumindest sind wir heil im Süd Pazifik angekommen.
    An Stellen, die etwas mulmig sind, läuft opecpn mit Google Earth Overlays (für San Blas unentbehrlich).
    Wenn ihr mal Fragen habt. Dann meldet euch .
    Gruss
    Achim … derzeit Huahine
    SY Atanga

  2. Hallo Carsten
    Wir fahren mit einem Axiom Pro 12 Zoll problemlos und als Tochter das I Pad mit der App Raymarine Control. Verbindung über Bluetooth. So haben wir eine «tragbare» Tochter mit welcher der Axiom auch gesteuert werden kann.
    Liebe Grüsse Jürg SV Stella Maris

  3. Danke für den ach so bekannt anmutende Bericht – Bootsprojekt wie es im Buche steht. Hat mich in meinem Vorsatz am bestehnden (noch funktionierenden) Setup von Radar, Plotter und AiS nix anzufassen, bestätigt .-) Mache meine Erweiterungen lieber über Navionics und Tablets.

  4. Danke für die Infos und den Hinweis.
    Wenn ich Dir nun erkläre, dass Raynet eigentlich Ethernet, also stinknormales Netzwerk ist und Du mit etwas Geschick aus einem „5€ Billig-Baumerkt-Switch“ und einem 40cm Raynet-Kabel mit Crimpzange ein cleveres Netzwerk machen kannst, wo Du dann die Billigsten Standard-Komponenten verwenden kannst, sparste schonmal 400€ Switch und 200€ Kabel.

    Funktioniert bei uns Super und wir haben einen wirklichen „Standard“ an Bord, wo man auch WLAN-Router/AccessPoint, Smartphones/Tablets reinpacken kann.

    1. Danke für den Tip. Es gibt von RayMarine einen Adapter auf normales Ethernet. Ist auch nur n Kabel, kostet aber auch wieder 100€. Aber danach hat man normales Ethernet, wie der liebe Gott sich ausgedacht hat, dass man Netzwerke bauen soll.
      Was ich allerdings Raymarine im Nachhinein zu gute halten muss: Die Komponenten sind Seetauglich und funktionieren auch bei Nebel, salzhaltiger Luft und ständigem Seegang hundert prozentig. Alleine auf dem Atlantik mit 1000SM Wasser um einen herum war ich doch ganz froh eben solche fetten Stecker und Kabel zu haben.

  5. Hey Carsten, danke für den Bericht und den kleinen „Augenöffner“.

    Wir haben gerade ein Boot gekauft (Ovni 435) mit fast kompletter Raymarine Ausstattung(Axiom Pro12, Radar, Autopilot(EV1,ACU-400), VHF, 4*i70). Allerdings übernehmen wir das Boot abschließend erst nach dem Winterlager nächstes Jahr und können uns bis dahin nur „Gedanken“ machen.
    Am Steuerstand ist in der Konsole oben „nur“ die Autopilotsteuerung und über dem Niedergang drei i70. Der Plotter ist unten am Navitisch. Und da dachte ich mir ohne Recherche eben auch, kaufst du einfach ein gößeres Navpod und baust da schnell einen 9″ Axiom ein, da wir dort gerne ein Plotter hätten.

    Jetzt weiß ich, dank deinem Bericht, ist nicht ganz so einfach. SeaTalkHS muss her…….zum Glück kann ich notfalls auch Ethernetkabel crimpen 🙂

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