Vertreibung aus unserem Paradies oder warum wir fluchtartig La Palma verlassen mussten

Von Anfang an fühlten wir uns sehr wohl auf La Palma. Bot sie doch alles, was wir uns unter einer idealen Insel vorgestellt hatten. Alles wäre so schön gewesen, wenn da nicht der 19. September gewesen wäre, der so vieles für uns verändert hat.

Um dir einen Eindruck von unserer Gefühlswelt zu geben, werde ich die Ereignisse einfach chronologisch erzählen.

Zufällig hatten wir an diesem ereignisreichen Sonntag nichts weiter vor und so bekamen wir das folgende Geschehen hautnah mit.

Um 15.12 Uhr hörten wir in unmittelbarer Nähe des Hafens einen sehr lauten Knall. Da wir ihn aber nicht zuordnen konnten, haben wir dem Geräusch anfänglich keine Beachtung geschenkt. Erst als immer mehr Palmeros aufsprangen, auf die Berge starrten und zu ihren Handys griffen, wurde uns bewusst, etwas war passiert.

Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich eine Dynamik unter den am Hafen befindlichen Menschen, die wir nicht verstanden. Fluchtartig verließen sie die umliegenden Restaurants, um in ihren Autos wegzufahren. Da uns das Hafengebäude den Blick auf die Berge versperrte, machten wir uns auf den Weg, um zu erfahren, was passiert war. Vom Hafenparkplatz aus hatten wir freie Sicht auf die Berge. An einer Stelle schien es zu brennen. Eine hohe Rauchwolke zeichnete sich ab.

Kurz nach dem Ausbruch

Im ersten Moment nahmen wir an, es handele sich um einen Wald- oder Plantagenbrand. Doch wir sollten uns irren. Auf unsere Frage hin, teilte uns ein Palmero mit, es hätte soeben einen Vulkanausbruch gegeben.

Geschockt gingen wir zur BLACKFIELD zurück. 1.000 Gedanken stürzten auf uns ein… Ein Vulkanausbruch! Was hat das für uns für Konsequenzen? Müssen wir aktiv werden?

Viele, viele Fragen, für die wir keine Antwort parat hatten. Die nächsten Stunden versuchten wir das Geschehene zu begreifen.

Immer wieder führte uns unser Weg zu dem Parkplatz, um einen Blick auf den Ausbruchsherd zu erhaschen. Mittlerweile waren viele Menschen eingetroffen, um ihrerseits das Spektakel zu beobachten. Es herrschte eine unwirkliche Stimmung. Hunderte Menschen saßen in Gruppen zusammen und schauten auf den Vulkan. In der Dunkelheit zeigte sich seine ganze Faszination. Konnte man doch jetzt die Glut der Lava in all ihrer Schrecklichkeit sehen.

Montag

Die Stimmung vor Ort hatte sich verändert. Mehrere Boote der Küstenwache bezogen Stellung im Hafen. Überall begegnete man uniformierten Polizisten. Der Parkplatz füllte sich immer wieder mit Schaulustigen. In uns machte sich ein komisches Gefühl breit. Wir konnten es immer noch nicht begreifen …

An normales Arbeiten war nicht zu denken. Die ganze Zeit versuchten wir, mehr Informationen im Netz zu bekommen. Stündlich schauten wir, ob sich etwas Neues ereignet hatte.

Waren die Straßen noch passierbar? Felix musste am nächsten Tag nach Hause fliegen. Würden die Flugzeuge noch starten? Was ist, wenn der Flughafen geschlossen wird? Wie wird es weitergehen? Wir kamen aus unserem Gedankenkarussell nicht heraus.

Langsam wurden die ersten Menschen evakuiert. Wir hörten von Leuten, deren Hab und Gut sich in unmittelbarer Nähe der Ausbruchstelle befand. Sie hatten schon jetzt alles verloren. Andere wiederum hofften, dass der Lavastrom ihr Haus verschonen würde.

Es war ein so surreales Gefühl. Auf der einen Seite, die Faszination, die der Vulkananblick auf uns ausübte, auf der anderen Seite, das Schicksal dieser Menschen, die möglicherweise alles verlieren würden.

Wir fühlten uns in unsere Rolle nicht wohl. Fühlte es sich doch so an, als ob wir Schaulustige dieser Schicksale wären.

Eigentlich wollten wir noch eine weitere Woche in La Palma bleiben. Alles war entsprechend gebucht, Mietwagen und Hafen bereits bezahlt. Schweren Herzens war uns klar, dies ging unter den gegebenen Umständen nicht. Wir wollten nicht so tun, als ob wir an einem Ort Urlaub machen würden, während überall um uns herum Menschen evakuiert wurden. Zum Glück konnten wir die Marina in La Gomera erreichen und sie waren sofort einverstanden, dass wir eine Woche früher dort eintreffen konnten. Eine Woche würden wir wohl schon aushalten. Doch wir sollten eines Besseren belehrt werden….

Dienstag

Ich glaube, in dieser Nacht hat keiner an Bord geschlafen. Haben wir doch alle gebangt, ob die Straßen zum Flughafen noch passierbar und der Flug stattfinden würde. Wir fuhren frühzeitig nach Santa Cruz los. Vorbei an den ersten Straßensperren. Ganz in der Nähe waren wir vor einer Woche noch wandern. Von der Straße aus konnten wir nun den langsam kriechenden Lavastrom sehen. Unsere Gefühle kann ich nicht in Worte fassen. Es war schrecklich…

Einige Tage zuvor hatten wir das Lavamuseum besucht und gesehen, was die Lava vor vielen Jahren angerichtet hatte. Und jetzt geschah es wieder. Häuser, Plantagen wurde unter der meterhohen Lava begraben. Existenzen wurden zerstört. Die evakuierten Menschen taten uns von Herzen leid.

Das einzige Gute war, Felix Flug wurde nicht abgesagt. Diese Sorge war zum Glück unbegründet.

Als wir zur BLACKFIELD zurückkehrten, war der Hafen, die Stege und auch das Boot von einer leichten Ascheschicht bedeckt. Vorsichtig versuchten wir das Boot von der Asche zu befreien, doch die Hunde trugen sie bei jedem Gassigang wieder an Bord. Zum ersten Mal bekamen wir Zweifel, ob wir die richtige Entscheidung hinsichtlich unserer Abfahrt getroffen hatten …

Die Küstenwache hatte mittlerweile eine Speerzone in unmittelbarer Nähe des Hafens eingerichtet. Die Experten waren sich noch nicht sicher, wo genau der Lavastrom aufs Meer treffen würde.

Und wieder verbrachten wir all unsere Zeit auf der Suche nach mehr Informationen über den Ausbruch. An Normalität war nicht zu denken. Kreisten unsere Gedanken doch immer wieder um dasselbe Thema.

Trotz aller Widersprüchlichkeit zog es uns doch abends zum Aussichtspunkt, um die nächtliche Aktivität zu fotografieren. Eigentlich war es perfide. Wir kamen uns vor, wie Voyeure und konnten uns trotzdem dem Spektakel nicht entziehen.

Mittwoch

Obwohl wir unsere Luken nur auf „Lüftung“ gestellt hatten, hatten wir in der Nacht das Gefühl am Strand zu liegen. Feine Asche hatte sich auf unser Bett breitgemacht.

Am Morgen konnten wir unseren Augen nicht trauen. Der ganze Hafen war mit einer zentimeterdicken feinen Ascheschicht übersät. Die Schiffe sahen schrecklich aus. Man hätte heulen können.

Diese dicke Schicht konnten wir nicht mehr einfach abwaschen. Durch das Wasser bildete sich sofort eine Schlammschicht. Es gab nur eine effektive Möglichkeit:  

Mit Handfeger und Schaufel befreiten wir stundenlang die BLACKFIELD von der Asche. Den „Rest“ versuchten wir, grob mit Wasser zu entfernen. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denn es rieselte weiterhin feinste Asche.

Es war unverkennbar, wir mussten La Palma schnellstens verlassen. Die Umstände würden nicht besser werden. Zum Glück erreichten wir das Hafenbüro in San Sebastian. Wieder war es kein Problem, früher einen Liegeplatz zu bekommen.

Hals über Kopf machten wir uns am frühen Nachmittag auf den Weg nach La Gomera. Es war ein sehr eigenartiges Gefühl, die Insel so fluchtartig zu verlassen.

Der Wetterbericht war uns in diesem Fall egal. Wir wollten nur weg. Und so war es keine Überraschung, dass der Wind mal wieder gegen uns war. An Segeln war nicht zu denken. Dazu kam noch eine recht hohe Welle, die uns körperlich zu schaffen machte. Die Stunden zogen sich wie Kaugummi, da wir nur schlecht vorankamen. Die Stimmung an Bord war entsprechend. Kurz vor San Sebastian stellte sich dann der berühmte Düseneffekt ein. Wind und Welle nahmen noch einmal ordentlich zu.

Zwei Stunden später als geplant erreichten wir dann Mitten in der Nacht die enge Hafeneinfahrt von San Sebastian. Zum Glück hatten wir nach einigen Versuchen einen Hafenmitarbeiter per Funk erreicht, der uns am Steg erwartete. Übermüdet und ziemlich genervt machten wir um 1:00 Uhr morgens die Leinen fest.

Wir waren froh, in San Sebastian zu sein. Obwohl wir am Vortrag das Schiff stundenlang abgespritzt hatten, entdeckten wir am nächsten Morgen immer noch Reste der Asche. Was wir da noch nicht wussten, sie würde uns wohl noch eine ganze Zeit begleiten.

FAZIT

  • La Palma wird für uns immer ein Höhepunkt unserer Reise bleiben. Es ist eine wunderschöne Insel.
  • Einige Menschen beneideten uns, um unsere Erfahrung ein so „tolles“ Erlebnis, wie einen Vulkanausbruch miterlebt zu haben. Dies haben wir nicht wirklich verstanden. Für uns war es kein „schönes“ Erlebnis. Wir haben mit den Menschen hier mitgelitten. Sie tun uns von Herzen leid.
  • Es ist ein Unterschied, ob man eine Naturkatastrophe vor Ort erlebt. Wenn man mit Menschen spricht, die alles verloren haben. Dann verliert ein solches Erlebnis schnell seine Faszination.
  • Auch wenn die Palmeros finanzielle Hilfe und Unterstützung erhalten, wird es gerade auch für Plantagenbesitzer eine Katastrophe bleiben.
  • Wir hoffen, La Palma erholt sich schnell von dieser Katastrophe. Die Palmeros haben es auf jeden Fall verdient.
  • Wir sind froh, unsere „Zelte“ frühzeitig abgebrochen zu haben. Nicht nur das Schiff hat gelitten, sondern auch wir haben emotional unter der Situation gelitten. Wir konnten uns nicht auf den „üblichen“ Alltag konzentrieren.
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