Der Weg ist das Ziel – oder wie wir mit unseren neuen Aufgaben wachsen

Täglich haben wir auf diese Nachricht gewartet: Frankreich öffnet endlich seine Grenzen! Segeln von Hafen zu Hafen ist wieder erlaubt. Einreisende müssen lediglich einen negativen PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunde ist, vorlegen. Dies sollte eigentlich kein Problem sein … Aber wo lässt man einen PCR-Test in den Niederlanden machen? Gibt es Testzentren, die wir auf unserer Route erreichen können? Mal wieder neue Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Aber dazu später mehr … 

Da das Wetterfenster recht gut aussah, beschlossen wir, uns auf den Weg zu machen.  

Nächste Schleuse Panama 

Das erste Ziel unserer Reise hieß: Den Helder. Dazu mussten wir erst einmal das Ijsselmeer durch die Schleuse Kornwerderzand verlassen. Wie du vielleicht noch weißt, gehört das Schleusen nicht zu unseren Lieblingsbeschäftigungen. Dementsprechend angespannt waren wir (ich). Man merkt eben, dass es Anfang der Saison ist und der letzte Segeltag mehr als 6 Monate hinter uns lag …   

Das gute Wetter wollten anscheinenden auch andere Segler nutzen, um einen der begehrten Plätze im Hafen von Vlieland zu ergattern. Entsprechend viele Segelboote warteten vor der Schleuse. Bei dem Anblick der Segelboote erfasste mich leichte Panik, besonders weil immer mehr kleinere und größere Boote nachkamen. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre wussten wir, das einige Crews in der Schleuse nicht zimperlich sind. Hier wird mit allen Mittel um einen Platz in der Schleuse gekämpft. Sobald die Schleusenampel auf Grün steht, wird ohne Rücksicht auf Verluste Vollgas gegeben. Warten ist wohl nur etwas für Feiglinge. 

Uns hat das Segelrevier rund um das Ijsselmeer immer gefallen. Aber das Schleusen kann zur Tortur werden. Und so war es auch heute … Die hoffentlich letzte Schleuse vor Panama stellte uns vor eine große Zerreißprobe. Im Nachhinein kann man nur den Kopf schütteln. Wir benötigten eine ganze Stunde und 3 Schleusengänge, um überhaupt in die Schleuse hineinzukommen und wurden dann noch beschimpft, wir hätten uns vorgedrängelt.  

Boah, was waren wir froh, als wir endlich links Richtung Nordsee abbiegen konnten. 

Letzter Stopp in den Niederlanden 

Wir waren uns einig, unsere Komfortzone werden wir wohl oder übel auf dieser Reise öfter verlassen und erweitern müssen. In diesem Fall hieß es, wir mussten längere Schläge einplanen. Anders war die Weiterfahrt nach Frankreich nicht machbar, da Belgien seine Grenzen immer noch geschlossen hatte. Aus diesem Grund mussten wir genau planen, wo wir den PCR-Test machen können, um innerhalb der 72 Stunden zu bleiben.  

Im Internet hatte ich ein Testzentrum in IJmuiden gefunden, das für uns mit dem Fahrrad erreichbar war. Wir haben nicht schlecht gestaunt, als wir die Preise gesehen haben. 125,00 € pro Person. Wow, das sind Preise, an die man sich erst einmal gewöhnen muss. Aber wahrscheinlich werden solche Posten demnächst ein fester Bestandteil unserer Haushaltskasse bilden. 

Als wir nach knapp 6,5 Stunden in IJmuiden ankamen, vereinbarte Carsten sofort telefonisch einen Termin im Testzentrum. Ihm war es unheimlich wichtig, sofort zum Testen zu fahren. Er hatte die Befürchtung, keinen Termin mehr vor unserer Weiterfahrt zu bekommen. Schließlich sind in Deutschland die Termine immer sehr begehrt. So ging es kaum, dass wir das Boot klargemacht hatten, zügig zum Testzentrum im Gewerbegebiet von IJmuiden.  

Anscheinend werden in den Niederlanden die Testzentren von privaten Institutionen geführt. In IJmuiden musste eine alte Halle als Zentrum herhalten. Der selbst gemachte Stress war aber völlig unnötig. Anders als vermutet, waren wir die einzigen Personen, die sich testen lassen wollten. Bei diesen Preisen kann man das vielleicht auch verstehen… 

Das Ergebnis sollten wir am nächsten Nachmittag per Mail bekommen. Einziger Nachteil, da waren wir mitten auf der Nordsee ohne Zugang zum Internet. Kurz haben wir über die Konsequenzen nachgedacht, sollte das Ergebnis nicht negativ sein… Aber diese Option beabsichtigten wir nicht wirklich durchzuspielen. Hinzu kam, dass unsere Banking-App anzeigte, es wurden nur einmal 125 € eingezogen. Was ist, wenn nur ein Test bearbeitet wird? Natürlich konnten wir an diesem Tag niemand mehr in dem Testzentrum erreichen. Der Anruf musste warten.  

Einfach kann jeder! 

Wann wird es endlich wieder Frühling … 

Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg Richtung Calais. 142 Seemeilen lagen vor uns. Wir rechneten mit einer Dauer von gut 25 Stunden. Unsere erste Nachfahrt stand uns bevor, entsprechend angespannt waren wir.  

Gegen Abend piepte Carstens Handy. Anscheinend hatten wir kurz Internetempfang. Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert wir waren, als wir die Mail mit ZWEI negativen PCR-Tests erhielten. Puh, das hat geklappt. 

Dass der Wind wieder mal anders wehte als vorhergesagt, muss ich wohl nicht mehr erwähnen.  

The same procedure as every trip. 

Zudem war die See sehr unruhig und die Blackfield rollte ordentlich. Die Nachtwache hatten wir in 4-Stundenschichten eingeteilt:

1. Wache – 20:00 – 00:00  
2. Wache – 00:00 – 04:00 
3. Wache – 04:00 – 08:00 
4. Wache – 08:00 – 12:00 

Sobald die Sonne unterging, wurde es immer kälter und trotz Mütze, Handschuhe und dicker Kleidung sowie Decken haben wir ordentlich gefroren. Dazu kam, dass wir unter Motor fahren mussten und derjenige, der Freiwache hatte aufgrund der ungewohnten Motorgeräusche und das Rollen des Bootes kaum Schlaf bekam. Unsere Körper waren noch nicht an die ungewohnten Bootsbewegungen gewohnt. Außerdem hatten wir beide das Gefühl, dass uns latent übel war. Zum Glück halfen unsere Vitamin C Tabletten hervorragend.  

Am nächsten Tag nahmen die Wellen zu. Wir wurden ordentlich durchgeschüttelt und die Stunden zogen sich. Zu aller Anspannung mussten wir Calais im Legerwall anfahren. Nicht auszudenken, wenn unser Motor hier gestreikt hätte… 

Calais 

Müde, aber glücklich machten wir im Hafen von Calais fest. Unser erster neuer Hafen in Frankreich. Calais kannten wir bisher noch nicht. Da sich das Wetter in den nächsten Tagen verschlechtern sollte, wollten wir in Calais abwettern. Wir freuten uns darauf, die Stadt zu erkunden. Doch unsere Freue hielt nur kurz…  

Einige Minuten nach unserem Anlegermanöver sprach uns der Hafenmeister freundlich an. Er bat uns, unseren Außenbordmotor und unser Beiboot zu sichern. Der Hafen habe große Probleme mit Diebstählen, die vom Wasser aus durchgeführt werden. Von Land aus kommt man nur mit einem Code auf das Gelände, aber mit dem Boot war der Hafen natürlich erreichbar.  

Diese Aussage dämpfte unsere Stimmung ordentlich. So hatten wir uns unsere Reise eigentlich nicht vorgestellt, schließlich waren wir noch in Europa. Jetzt stellte sich die Frage: Können wir das Boot gar nicht verlassen? Müssen wir jedes Mal Angst haben, irgendetwas wurde gestohlen, während unserer Abwesenheit? 

Natürlich sicherten wir unser Hab und Gut sofort mit den an Bord befindlichen Schlössern. Da wir aber nicht auf den Kopf gefallen sind, nutzten wir für unsere Spaziergänge einfach die Zeit, in der das vorhandene Brückentor, das den Hafen vor Ebbe schützt, geschlossen war. 

Das hatte zwar etwas von „Ausgangszeiten“, aber es war ein guter Kompromiss. 

Nachdem wir ordentlich Schlaf nachgeholt hatten, machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg, Calais zu erkunden. Der Hafen ist zentral gelegen. Zum sehr schönen Strand und in die Stadt sind es nur wenige Gehminuten. Leider wurde die Stadt im 2. Weltkrieg zerstört und der Wiederaufbau ist nicht recht gelungen. Trotzdem gibt es die ein oder andere schöne Ecke in der Stadt. 

Etwas geschockt waren wir, als wir unter einer Flussbrücke ein riesiges Obdachlosenzeltlager sahen. Wir wussten nicht, dass Calais enorme Probleme mit Transitmigranten hat, die versuchen, auf die Fähre nach England zu kommen.  

Eigentlich hatten wir geplant, die Zeit des Abwetterns für Bootsprojekte zu nutzen. Aber wie so oft, kommt es anders als gedacht …  

Anscheinend hatte sich Carsten während der Fahrt Zug geholt oder sich einen Nerv eingeklemmt … Auf jeden Fall konnte er sich von jetzt auf gleich nicht mehr ohne Schmerzen bewegen. Die nächsten Tage konnte er nur noch liegend verbringen. Egal, Gesundheit geht vor und die Bootsprojekte laufen nicht weg.  

Der Wind entscheidet den Kurs oder wie bei uns, die Pflicht 

Die Tage vergingen und langsam musste ein Plan für die Übernahme von Carstens Dienstlaptop her. Ursprünglich war geplant, das Paket nach Cherbourg schicken zu lassen. Aber Carsten konnte sich immer noch nicht schmerzfrei bewegen und so fiel diese Option erst einmal aus.  

Plan B war die einzige Möglichkeit, wenn wir nicht noch in länger in Calais bleiben wollten. Und so legten wir nach 5 Tagen früh morgens Richtung Dieppe ab. Mir war etwas mulmig zumute, da ich auf den rund 72 SM (12,5 Stunden) vorwiegend Wache schieben musste. Carsten konnte immer noch nicht länger sitzen oder stehen. Erschwerend kam noch hinzu, dass der Wind im Laufe des Tages zunehmen sollte.  

Leider stimmt diesmal die Wetterprognose weitestgehend. Nicht nur das es regnete, es war unheimlich kalt und die Wellenhöhe nahm durch den stärkeren Wind immer mehr zu. Die letzten Stunden vor der Anfahrt Dieppe hatten wir eine Wellenhöhe von 3 m, die uns seitlich traf, erreicht.   

Nein, so wollten wir definitiv nicht reisen. Es war zum Abgewöhnen.  

Zum Glück kannten wir den Hafen in Dieppe und so war zumindest das Anlegemanöver recht angenehm. 

Durch Carstens Handicap konnten wir nicht viel unternehmen. Aber das störte uns nicht so sehr, da wir auch gut fünfe gerade sein lassen konnten und schließlich hatten wir Dieppe schon letztes Jahr intensiv erkundigt.

Unser Leben als digitale Nomaden kann beginnen

Die letzten Wochen hatten wir geschäftlich nur das Nötigste getan. Wir wollten die erste Zeit nutzen, um erst einmal auf dem Boot anzukommen.

Dies änderte sich schlagartig, als Carsten ein Projekt angeboten bekam, das er nicht ausschlagen konnte. Jetzt mussten wir eine Entscheidung treffen. Flexibel reisen oder erst einmal die Reisekasse wieder auffüllen, die durch einige nicht geplante Anschaffungen ordentlich gebeutelt war?

Lange haben wir darüber nachgedacht, ob dies der richtige Weg für uns ist. Schließlich schränkt uns ein Projekt mit festen Arbeitszeiten sehr ein, aber die finanzielle Sicherheit gerade im Anfang unserer Lebensumstellung bietet einfach auch Sicherheit…

Zum Glück kam das Notebook pünktlich an und so mussten wir nur noch für ein entsprechendes Datenpaket sorgen. In Frankreich sind die Internetkosten viel geringer als bei uns in Deutschland. „Free“ bietet günstige Tarife an. Für 29,90 € erhielten wir 150 GB für 4 Wochen. Damit dürften wir erst einmal auskommen.

Ab jetzt heißt es:

Jedes Wetterfenster an den Wochenenden muss genutzt werden!

Und so machten wir uns, obwohl Carsten immer noch unter Schmerzen litt, nach 8 Tagen auf den Weg nach Cherbourg …

FAZIT

  • Nachtfahrten haben ihren Schrecken verloren. Im Gegenteil, für uns sind sie mit den Hunden sogar angenehmer. 

  • Bisher haben die Hunde keinerlei Probleme.

  • Gesundheit geht immer vor!

  • Es ist schwierig, feste Ankunftszeiten zu planen. Das Wetter, der Wind, die Wellen bestimmen die Reise, nicht der Terminkalender.

  • Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

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